Angst zählt neben Trauer, Wut und Freude zu den grundlegenden menschlichen Emotionen und ist eine existenzielle Fähigkeit zum Schutz vor Risiken und Gefahren. In frühen menschlichen Gesellschaften war Angst überlebenswichtig und befähigte zu Kampf- und Fluchtreaktionen. Sie kann nicht nur durch gefährliche Situationen oder Sorgen ausgelöst werden, sondern auch durch körperliche Erkrankungen wie eine Überfunktion der Schilddrüse, Herzerkrankungen, Wechseljahre, Konsum von Suchtmitteln sowie entzündliche und Stoffwechselerkrankungen.
Die meisten Ängste sind erlernt: Ein unangenehmes Erlebnis führt dazu, dass man bei ähnlichen Situationen mit massiver Angst reagiert oder diesen gleich ausweicht. Die Nervenzellen bauen dabei einen Weg, der es ermöglicht, diesen bei der nächsten gefährlichen Situation wieder einzuschlagen.
Angst entsteht im limbischen System des Gehirns, genauer gesagt in der Amygdala, dem Mandelkern, und warnt vor bevorstehenden Gefahren. Das limbische System ist ein sehr alter Teil des Gehirns, der schon bei einfacheren Lebenswesen vorhanden war. Die Gefühle gelangen wie Nervenimpulse unter anderem zum Hypothalamus, der als „Schaltstation“ des Gehirns fungiert, und werden dann in der Hypophyse in Hormone übersetzt. Diese gelangen durch das Blut in den gesamten Körper und lösen dort Reaktionen aus.
Der Körper reagiert mit Herzrasen, Schwitzen, Zittern, „Kloßgefühl“ im Hals, Druck im Brustbereich, Gefühl zu ersticken, Magen-Darm-Beschwerden, Schwindel, Übelkeit und mehr. Gedanklich kommt es zu Erwartungsängsten, Sorgen, Befürchtungen oder Katastrophenfantasien. Als Verhalten zeigt sich Flucht, angespanntes Aushalten der Situation und verschiedene Vermeidungsstrategien.
Angst ist nur dann krankhaft, wenn sie zu intensiv, anhaltend und grundlos besteht und im Alltag zu Einschränkungen, Leidensdruck und Beeinträchtigungen führt. Krankhafte Angst tritt oft ohne erkennbaren Auslöser auf, dauert über die auslösende Situation hinaus an, ist dauerhaft und wiederkehrend, wird mit der Zeit stärker und von anhaltenden Krankheitssymptomen begleitet.
Die Entstehung von Angststörungen ist multifaktoriell und wird durch biologische, umweltbedingte und psychosoziale Risikofaktoren bestimmt (genetische Mechanismen, Stress, Störung der serotonergen und noradrenergen Neurotransmittersysteme, Dysfunktion der neuronalen Netzwerke, Emotionsregulationsdefizite, familiäre Faktoren usw.).
Angsterkrankungen sind oft komorbid untereinander sowie mit Depressionen und Suchterkrankungen und stellen mit einer 12-Monats-Prävalenz von 14% und ca. 61,5 Millionen Betroffenen die häufigsten neuropsychiatrischen Erkrankungen in der Europäischen Union dar. Phobische Störungen (Agoraphobie, soziale Phobie, spezifische Phobien) unterscheiden sich von anderen Angststörungen (Panikstörung, Generalisierte Angststörung, Angst und Depressive Störung, gemischt).
In Österreich leiden etwa 10 Prozent der Menschen unter einer behandlungsbedürftigen Angststörung. Die Vorgehensweise beginnt mit der anamnestischen Abklärung der biografischen Daten und bio-psycho-sozialen Zusammenhänge in der Entwicklung der Erkrankung. Eine mögliche organische Ursache (Herz- oder Schilddrüsenerkrankung, Konsum von Suchtmitteln) soll ausgeschlossen werden. Ein wichtiger Teil der Therapie ist die Aufklärung über die Entstehung der Symptome und die Funktionalität der Angst. Bei ausgeprägter Angstsymptomatik wird eine medikamentöse Unterstützung zur regelmäßigen Einnahme angeboten. Bei milderer Symptomatik wird oft nur eine bedarfsorientierte Medikation (z.B. bei Panikattacken, steigender Anspannung) gegeben. Psychotherapie ist eine wichtige Säule der Behandlung. Weitere unterstützende Maßnahmen wie Biofeedback, Yoga, Entspannungsübungen, Meditation, Achtsamkeitsübungen, körperliche Aktivität, ausgewogene Ernährung, Schlafhygiene und Stressmanagement stärken die Selbstverantwortung und verbessern die Selbstregulation.